4. Kaufkraft und ihre Veränderung

Geldsummen werden im Alltag stets mit ihrem Nominal- oder Nennwert angegeben, also mit dem Wert, der auf den Geldscheinen aufgedruckt und auf den Münzen aufgeprägt ist. Dieser Wert sagt allerdings nichts darüber aus, wie viele Güter man für diese Geldsumme erhält. Um die individuelle Leistungsfähigkeit von Stpfl. bestimmen zu können, ist aber ganz entscheidend, wie viel diese mit ihrem zvE (das ebenfalls stets als Nominalwert angegeben wird) tatsächlich leisten, also konsumieren können. Daher soll im Folgenden der Begriff der Kaufkraft betrachtet werden.

„Die Kaufkraft des Geldes gibt an, welche Gütermenge mit einer Geldeinheit oder einem bestimmten Geldbetrag gekauft werden kann“1. Da auch der Wert von Gütern nur mit deren Nominalwert (hier: Verkaufspreis) angegeben werden kann, bringt die isolierte Betrachtung von Werten zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Erkenntnisse. Die Kaufkraft kann daher nur über ihre zeitliche Veränderung angegeben werden.

4.1. Die Inflation als Indikator für die Veränderung der Kaufkraft

Um die zeitliche Veränderung der Kaufkraft zu ermitteln, müssen vergleichbare Werte zu verschiedenen Zeitpunkten bestimmt werden. Die Preise einzelner Güter (bspw. Nahrungsmittel, Energie oder Wohnkosten) können jedoch erheblich schwanken. Daher ist es notwendig, alle Güter zu einem sog. Warenkorb zusammenzufassen und gemeinsam zu betrachten. Die Bedeutung verschiedener Güter unterscheidet sich allerdings stark. So fallen regelmäßige Wohnkosten deutlich stärker ins Gewicht als die Kosten für seltenere Anschaffungen. Aus diesem Grund wird bei der Zusammenstellung des Warenkorbs eine Gewichtung vorgenommen, die dem durchschnittlichen Konsumverhalten der Bevölkerung möglichst genau entspricht. Für die im Warenkorb enthaltenen Güter kann nun zu jedem Zeitpunkt ein Wert bestimmt werden, der über die Zeit vergleichbar bleibt. Dieser Wert ist der Verbraucherpreisindex.2

Im Jahr 01 kostete ein fiktiver Warenkorb 2.000 €. Hierfür wurde als Basiswert ein Verbraucherpreisindex von 100 festgelegt. Da Wohnkosten im Warenkorb besonders stark gewichtet sind, führte eine kräftige Erhöhung der Mieten im Jahr 02 dazu, dass der Warenkorb nun 2.100 € kostet. Der Verbraucherpreisindex für das Jahr 02 beträgt somit:

Warenkorb02Warenkorb01·Index01=2.100 €2.000 €·100=105

Die Werte können nun miteinander verglichen werden. Zunächst ist zu beachten, dass der Nominalwert des Geldes konstant blieb. Geldscheine mit dem Nominalwert von 2.000 € sind auch im Jahr 02 noch 2.000 € wert. Allerdings ist die Kaufkraft dieser Geldscheine gesunken, man kann mit demselben Geld weniger konsumieren. Der Realwert (der tatsächliche Geldwert) beträgt:

Nominalwert·Index01Index02=2.000 €·100105=1.904,76 €

Es wäre nicht praktikabel, die Veränderung der Kaufkraft direkt mit dem Verbraucherpreisindex anzugeben, da dieser immer auf Basis eines bestimmten Basisjahres festgelegt wird und somit mit dem Index die Veränderung der Kaufkraft seit diesem Jahr angegeben wird.3 Der übliche Indikator für die Verringerung der Kaufkraft ist daher die Inflationsrate. Sie gibt die „prozentuale Veränderung des Verbraucherpreisindex gegenüber dem Vorjahreszeitraum“4 an und macht damit die Veränderung der Kaufkraft im Zeitverlauf auf den ersten Blick vergleichbar. Inflation liegt dabei vor, wenn sich „das Preisniveau in einer Wirtschaft dauerhaft erhöht“5.

Im obigen Beispiel hat sich der Verbraucherpreisindex innerhalb eines Jahres von 100 auf 105 erhöht. Die Inflationsrate beträgt:

Index02-Index01Index01=105-100100=5 %

Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamts entwickelte sich die Inflationsrate im Zeitraum 2008–2017 wie folgt:6

2008200920102011201220132014201520162017
2,6 %0,3 %1,1 %2,1 %2,0 %1,5 %0,9 %0,3 %0,5 %1,8 %
Dar. 3: Entwicklung der deutschen Inflationsrate im Zeitraum 2008–2017

Die persönliche Inflation weicht aufgrund der nach Durchschnittswerten festgelegten Warenkörbe von der veröffentlichten Inflation ab:

Die veröffentlichte Inflation eines Jahres ermittelt sich aus einem fiktiven Warenkorb, der zu 50 % aus Wohnkosten und zu 50 % aus Kosten für Nahrungsmittel besteht. Die Wohnkosten sind im betrachteten Zeitraum um 3 %, die Kosten für Nahrungsmittel um 1 % gestiegen. So ergibt sich als gewichtetes Mittel eine Inflation von 50 %·3 %+50 %·1 %=2 %.

Der individuelle Warenkorb des Feinschmeckers F besteht jedoch nur zu 25 % aus Wohnkosten, dafür zu 75 % aus Kosten für Nahrungsmittel. Die persönliche Inflation von F beträgt damit nur 25 %·3 %+75 %·1 %=1,5 %.

Ein weiterer Effekt ist die gefühlte Inflation. So nehmen Verbraucher die Inflation häufig als stärker wahr, als nach dem Verbraucherpreisindex zahlenmäßig zu erwarten wäre.7

4.2. Ausgleich der Inflation durch Einkommenserhöhungen: Begriff des Realeinkommens

Aufgrund der Inflation kommt es zu einem stetigen Kaufkraftverlust. Ohne Ausgleich der Inflation könnten sich die Verbraucher immer weniger leisten, der Konsum würde immer weiter sinken.

In der Praxis erfolgt der Ausgleich der Inflation durch Einkommenserhöhungen. In öffentlichkeitswirksamen Tarifrunden sowie bei nicht tarifgebundenen Beschäftigten direkt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden kontinuierlich höhere Löhne und Gehälter vereinbart. Selbständige und Unternehmer sorgen durch Anpassung ihrer Preise ebenfalls dafür, dass ihr Gewinn mit der allgemeinen Preisentwicklung ansteigt. Durch alle diese Maßnahmen wird die Inflation kompensiert.

Die Arbeitnehmerin A hatte im Jahr 01 ein monatliches Gehalt von 4.000 € und konnte damit sich und ihre Familie versorgen. Im Jahr 02 hat sich die Kaufkraft dieses Gehalts aufgrund einer Inflation von 2 % auf 4.000 €102 %=3.922 € verringert. A vereinbart nun mit ihrem Arbeitgeber eine Gehaltserhöhung um 2 % auf 4.080 €. Die Kaufkraft bleibt damit konstant bei 4.000 €.

Es zeigt sich, dass bei Einkommen genauso wie beim Geldwert zwischen dem Nominal- und dem Realwert unterschieden werden kann. Entsprechend gibt es auch den Begriff des Realeinkommens.8