Dar. 4: Auswirkung der Kalten Progression bei unverändertem ESt-Tarif
In diesem Abschnitt wird von einem unveränderten ESt-Tarif ausgegangen. Wendet man diesen auf die mit der Inflation gestiegenen Einkommen an, so erhält man nach der Berechnung in Abschnitt 6.1 den Verlust aus der Kalten Progression. Insbesondere kann mit dem unveränderten Tarif die Auswirkung der Kalten Progression auf unterschiedliche Einkommensgruppen betrachtet werden und daraus abgeleitet werden, welche Einkommensgruppen besonders durch den Effekt der Kalten Progression belastet sind.
Dar. 4 zeigt den prozentualen Verlust aus der Kalten Progression, der sich ergibt, wenn das jeweilige zvE um eine Inflationsrate von 2 % erhöht wird. Die Berechnung basiert auf dem unveränderten ESt-Tarif 2019.
Es zeigt sich, dass alle Einkommensgruppen durch die Kalte Progression belastet werden. Dies ist nachvollziehbar, da der deutsche ESt-Tarif stetig progressiv ist und es keine regressiven Zonen gibt, in denen ein höheres zvE eine niedrigere Durchschnittssteuerbelastung ergibt.
Allerdings unterscheidet sich die prozentuale Belastung zwischen den Einkommensgruppen. Die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen an den Tarifzonengrenzen (siehe Dar. 2) werden besonders stark durch die Kalte Progression belastet.
Dies ist damit begründet, dass der Grenzsteuersatz bei hohen Einkommen in den Proportionalzonen konstant bleibt. Dadurch nähert sich der Durchschnittssteuersatz immer weiter diesem konstanten Grenzsteuersatz an. Wie in Abschnitt 3.5 festgestellt wurde, wirkt sich die Progression und damit auch die Kalte Progression in diesen Zonen daher nur gering aus.
Lediglich nahe der Zonengrenze zwischen den beiden Proportionalzonen lässt sich aufgrund des dort von 42 % auf 45 % steigenden Grenzsteuersatzes eine Mehrbelastung feststellen, die aber im Vergleich zur Mehrbelastung geringer und mittlerer Einkommen nicht genauso stark ins Gewicht fällt.
In der interaktiven Darstellung kann die Inflationsrate variiert werden.
Es zeigt sich, dass die durch die Kalte Progression besonders belasteten Einkommensbereiche nicht von der Inflation abhängen. Lediglich bei den hohen Einkommen lässt sich feststellen, dass die dortige „Belastungsstufe“ je früher beginnt, desto höher die Inflationsrate ist. Die Ursache ist, dass die Nominaleinkommen bei hohen Anpassungsraten stärker steigen. Je höher die Inflationsrate also ist, desto geringere Einkommen rutschen durch die Inflationsanpassung in die zweite Proportionalzone. Da sich hohe Einkommen durch die prozentuale Anpassung in absoluter Höhe stärker verändern als geringe Einkommen, kann dieser Effekt in der Darstellung besonders an dieser Stelle und nur geringfügig bei den mittleren Einkommen festgestellt werden.
Offensichtlich ist zudem, dass die prozentuale Mehrbelastung aus der Kalten Progression proportional mit der Inflationsrate steigt. Je höher die Inflationsrate, desto stärker tritt der Effekt der Kalten Progression auf. Dies ist naheliegend, da bei einer Inflationsrate von null gar keine Kalte Progression auftreten kann.
Interessant sind auch die Belastungsschwankungen im Bereich zwischen den beiden lokalen Höchstständen der geringen und mittleren Einkommen. Diese Schwankungen zeigen sich in der Darstellung durch eine ungleichmäßige Kurve. Begründet sind sie durch die Rundungsvorschrift des § 32a Abs. 1 S. 6 EStG.